
🏖 Zu heiß zum Leben? Sommer auf Nordzypern und die Sache mit den Ausreden
Ich sitze am La Luna Beach Club. Sonnenuntergang. Vor mir ein großes Herz im Sand, daneben der Schriftzug „Marry me“.
Kitschig und schön zugleich – Hochzeitsdeko auf nordzypriotisch.
Ich wollte mal raus, hatte noch zwei Freunde gefragt – genau die beiden, die sich seit Wochen beklagen, dass hier nichts passiert und keiner mal mitkommt. Erst hieß es ja – und dann:
„Nee, doch nicht. Zu heiß.“
Wie schön wäre es, diesen Blick mit jemandem zu teilen. Ohne Worte, nur diese stumme Frage: Fühlst du es auch?
Stattdessen sitze ich allein hier, mit meinen Gedanken, meinen Bildern, spüre den warmen Wind, höre die Wellen, sehe die Sonne langsam im Meer versinken.
🌡 Sommer auf Nordzypern
Es ist Hochsommer auf Nordzypern. 30, 35, manchmal 40 Grad.
Die Luft steht, selbst der Wind fühlt sich an wie ein Heißluftfön.
In den ersten Tagen schwitzt man darüber noch, später sagt man es nur noch:
„Zu heiß.“
Und der Körper bekräftigt es schwindelnd.
„Zu heiß“ fürs Treffen am Strand.
„Zu heiß“ für ein gemeinsames Abendessen.
„Zu heiß“ für alles, was nicht in einem klimatisierten Raum stattfindet.
🫧 Die Komfortblasen
So entstehen hier schnell kleine Blasen.
Manche Paare richten sich zu zweit ein wie in einer kleinen Klimabox: gemütlich, abgeschlossen, im eigenen Saft. Anfangs fühlt sich das sicher an – bis die Gewürze fehlen.
Manche merken es gar nicht, andere schon – und grenzen dann lieber die aus, die anders ticken. Man hat ja Gründe … ganz viele …
💻 Der Ersatzkontakt
Und wenn man sich dann doch „unterhalten“ will?
Die bequemste Lösung ist ein Bildschirm:
- ein KI-Programm, das spiegelt, was man hören möchte
- oder eine Serie, die das Gefühl ersetzt
Kurz wirkt es nah, warm, persönlich. Natürlich klimatisiert.
In Wirklichkeit liefert man nur Daten in ein System, das einen immer genauer kennt – und immer weiter wegbringt von echter Begegnung.
✈ Warum wir hier sind
Viele von uns sind genau deshalb ausgewandert: um aus der Enge, der Hektik und dem Lärm in Deutschland herauszukommen.
Um leichter zu leben, mehr zu leben – eventuell auch mit spüren.
Nur: Das Neue spürt sich nicht von allein.
Man muss sich bewegen, um es zu fühlen.
💃 Bewegen – und spüren
Bewegen heißt nicht immer „viel machen“.
Manchmal reicht es, sich aus der eigenen Komfortblase hinauszusetzen.
So wie an jenem Abend in der Sardunya Bay:
Salsa-Musik, ein paar Tanzende – ja, meine Musik, nur freier, als es hier die Rollen vorgeben – und doch war da etwas.
Zwischen Lachen, Bewegung und warmem Abendlicht kam etwas hoch, das lange vergraben war: dieses tiefe, körperliche Spüren.
🎵 Kompromisse, die sich lohnen
Und ja – manchmal mache ich Kompromisse.
Rockmusik ist nicht meins, und zur Schlagerparade unter Engländern gehe ich nur im Notfall.
Aber wenn das Ziel Begegnung ist, lasse ich auch mal fünf gerade sein. Nicht, um alles mitzumachen, sondern um den Moment zu öffnen – und nicht auf dem Deutschen Lieblingspferd herumzureiten:
„Es muss genau so sein, wie ich es mir vorstelle.“
💗 Das Gefühl kommt beim Gehen
Vielleicht ist es genau das:
Nicht warten, bis die perfekten Bedingungen kommen.
Nicht auf das Gefühl hoffen, um loszugehen.
Sondern losgehen – und sehen, wie das Gefühl kommt.
Und manchmal – wenn man Glück hat – sitzt dann jemand neben einem, und ohne Worte fragt der Blick:
Fühlst du es auch?
Auch wenn’s gefährlich werden könnte – denn zu Hause wartet deine Blase, vielleicht zu eng für das Leben.
Wo bist Du aus Deiner Blase ausgestiegen, welche kleinen oder vielleicht größere Momente?

Dagmar Thiel: Neustart mit 50+ – geschrieben für Frauen, die nicht mehr durchhalten, nur auswandern, sondern wirklich ankommen wollen. Mit Würde. Mit Widerspruch. Und mit dem Mut, es trotzdem zu machen.