2 Orte – 1 Blick
Maschine klar – oder warum Vorwärts manchmal leer klingt
Nicht ohne mein Sofa – Ein Sitzmöbel auf Sinnsuche
Zwei Orte, ein Blick – Nordzypern zwischen Betonruinen und Küstenechtheit
Es gibt Orte, die wirken beim ersten Besuch wie ein Versprechen.
Das Eagles Nest war so einer für mich.
Ein Restaurant mit Blick aufs Meer, ruhig, stilvoll, zurückhaltend luxuriös – ein Ort, an dem ich das Gefühl hatte: Da gehöre ich hin. Da will ich sein.
Dieses Gefühl spielte mit, als ich mich damals entschied, in der Nähe zu investieren.
Ich kaufte im Resort, zwei Minuten entfernt. Der Ausblick, die Nähe zum Meer, das Gefühl von Ankommen – es schien zu passen.
Heute ist das Bild ein anderes.
Vom Glanz zum Geisterort
Das Eagles Nest ist leerer geworden – und teurer.
Ein Bier, das einst 65 Lira kostete, liegt jetzt bei 180. In der kleinen Version.
Das Essen? Teurer als in Deutschland, die Qualität: durchwachsen.
Die Gäste? Früher bunt gemischt – heute überwiegend betuchte Briten oder sogenannte Inspektionsreisende.
Letztere sind Menschen, die von Bauträgern eingeflogen werden, um sich Immobilien „im Paradies“ zeigen zu lassen – Butterfahrten in Beton gegossen.
Doch selbst diese Gruppen werden weniger.
Und was macht das Restaurant?
Es hebt die Preise weiter an.
Preislogik ohne Logik
Was passiert, wenn die Gäste ausbleiben?
In Nordzypern: Die Preise steigen.
Denn wenn nur noch wenige kommen, müssen diese wenigen mehr bezahlen.
Ein betriebswirtschaftlicher Irrsinn, der sich hier durchzieht.
Der Besitzer hat Tanzkurse versucht, eine Disco angeschoben – nichts davon hat funktioniert.
Der Ausblick bleibt traumhaft.
Der Rest ist Kulisse mit Rissen.
Die andere Küste: Zihni’s
Und dann ist da Zihni’s Coastal Café.
Ein paar Holzbänke auf Felsen. Ein alter, blauer Sonnenschirm.
Musik, manchmal Elvis, manchmal Sinatra.
Ein Südzypriot, der serviert, als wäre es seine Terrasse – nicht sein Geschäftsmodell.
Hier ist nichts gestylt. Aber alles echt.
Die Menschen sitzen, reden, lachen. Hunde werden gefüttert. Und man spürt: Hier ist Leben.
Der Weg dorthin – der Lapta Walk – ist einer der wenigen echten Küstenwege Nordzyperns, finanziert von der EU.
Ein schmaler Pfad mit weitem Blick – wie gemacht für Menschen, die noch einen Sinn für das Ungeplante haben.
Der große Widerspruch
Was mich bewegt, ist der Kontrast.
Das Eagles Nest: Hochgejubelt, leer, teuer.
Zihni’s: Einfach, voll, lebendig.
In Nordzypern stehen tausende Wohnungen leer – und trotzdem steigen die Preise.
Nicht, weil es Käufer gäbe – sondern weil man immer noch hofft, dass irgendjemand kommt, der zahlt.
Wirtschaftlich ist das ein Tanz auf der eigenen Illusion.
Und das alles begann mit einem Artikel.
Forbes schrieb Nordzypern vor drei Jahren in die Top-Liste geheimer Investment-Hotspots.
Seitdem rollte eine Welle über die Insel. Investoren, Auswanderer, Schnellentschlossene.
Und mit ihnen: Bauträger, Versprechungen, Enttäuschungen.
Zwischen Heuschrecken und Hoffnung
Die zypriotische Verwaltung? Überfordert.
Zuerst wurde kassiert, dann reguliert. Zu spät.
Jetzt versucht man, mit Mindestlohn-Erhöhungen gegenzusteuern – was die Preise weiter nach oben treibt.
Das Ergebnis: Leerstand, Verfall, Frust.
Und mitten drin sitzen wir – die, die sich das Leben hier bewusst ausgesucht haben.
Die, die bleiben wollen. Die vielleicht auch mal meckern –
nicht, weil wir nichts sehen,
sondern weil wir nicht wegsehen wollen.
Ausblick mit Wehmut
Manchmal gehe ich trotzdem noch hin. Ins Eagles Nest.
Nicht wegen des Essens.
Wegen der Erinnerung.
Ich mochte den Besitzer. Ich kenne seine Geschichte.
Seine Partnerin hat ihn verlassen, als sie merkte, dass der Schein nicht reichte.
Er ist freundlich, bemüht – gefangen zwischen Anspruch und Abbruch.
Und ich?
Ich finde meinen Ausblick heute woanders.
Bei Zihni’s. Auf der Holzbank. Mit einem echten Gespräch,
einem lauwarmen Tee – und einem Horizont, der nicht glänzt, aber trägt.
🔚 Nachsatz: Heuschrecken, Steuerschlupflöcher und Milchkuh-Politik
Natürlich.
Der Immobilienboom kam nicht aus dem Nichts.
Er kam auf den Flügeln eines Forbes-Artikels, getragen von Investorenfantasien, Steuerfreiheit und der Aussicht auf einen rechtsfreien Raum mit Meerblick.
Was zurückbleibt? Verbrannte Erde in Beton gegossen.
Die Heuschrecken haben längst ihre Taschen gepackt.
Mitgenommen: Geld, Optionen, Luftversprechen.
Dazugelassen: Leere Wohnungen, gebrochene Zusagen, verwirrte Verwaltungen.
Und als die Regierung endlich aufwacht?
Reagiert sie nicht mit Weitblick, sondern mit einer Lupe auf die Falschen:
Die, die geblieben sind.
Die, die bereit wären, ihren Beitrag zu leisten.
Denn die sind ja bestimmt alle reich.
Also bitteschön:
Melken, bis nichts mehr kommt.
Regulierungen, die nicht treffen, was sie sollen – sondern die Falschen.
Und die, die kamen, um zu bleiben,
gehen – nicht aus Trotz, sondern weil sie es sich nicht mehr leisten können.
Was bleibt? Ein gelegentliches Bier bei Zihni’s.
Ein Geburtstagsessen im Eagles Nest – mit Wehmut im Gepäck.
Und was tun die alten, alteingewanderten Deutschen?
Die „damals war alles besser“-Fraktion?
Sie geben den Neuen die Schuld.
„Früher war’s hier wunderbar.“
Ja ja. Damals.
„Vielleicht war früher nicht alles besser.
Aber vieles stimmiger – mit Aufbruch statt Abbruch,
mit Ecken statt Masken.“„Damals hatte es auch Macken.
Aber sie nannten es Charme –
und glaubten noch an Richtung.“
Paul zieht den Anker rüber und grummelt:
„„fast schon zu schön für eine Welt 🐷🍻 mit Bierpreise wie in Hamburg. Nur mit schlechterem WLAN und weniger Hafenromantik.“ 🐷⚓🍺
Kennst Du auch solche Entwicklungen? Schreibe es gerne in die Kommentare